Dr. Georg Feldmann
Psychotherapeut. Coach.

Willkommen auf meinem BLOG "Feelin' Good & Feldmann"
Hier vertiefe ich einzelne Themen und Gedanken, die mir wichtig sind. Ich freue mich auf Ihr Feedback!

2024-06-25

Digital Detox - sinnvoll oder nicht? Die digitale Auszeit im Fokus.

In den letzten zwei Jahren habe ich zahlreiche Workshops durchgeführt bzw. Vorträge gehalten, bei denen es vorwiegend um #Leadership, #Resilienz und den Umgang mit #Stress ging. Kunden wie die ÖBB, das Dorotheum, das BMI und BMF und andere haben mir dabei vertraut, wofür ich sehr dankbar bin. Am Rande streifte ich dabei oftmals das Thema eines vernünftigen Umgangs mit digitalen Devices und Tools. Vor kurzem war dies - #digitaldetox - ein Workshop-Kernthema. Die tiefergehende Beschäftigung damit ist interessant, denn man überprüft auch sich und seine eigenen Gewohnheiten.

In meiner Tätigkeit als Coach und Psychotherapeut kann ich immer wieder beobachten, dass sich besonders gestresste Menschen mit zu intensivem Gebrauch des Smartphones endgültig in die absolute Erschöpfung bringen. Sie spüren die Wirkung und den Sog der diversen Apps und Screens nicht mehr, was heute zum Problem vieler geworden ist. Umso mehr ein Grund, sich das Thema genauer anzusehen.

Nun, der erste Teil des Begriffs scheint klar auf der Hand zu liegen; „digital“ ist die Welt des Positiven („1“) und „Nicht-Positiven“ („0“). Nur wenige wissen allerdings, dass sich der Begriff aus dem Lateinischen digitus (der Finger) ableitet. Dies ist umso spannender, da Apple 2007 (und Android 2008) mit dem revolutionären Touchscreen - inklusive zahlreicher Funktionen - das ursprüngliche „Handy“ ablöste. Nun waren tatsächlich unsere Finger mit im Spiel. Bzw., um genau zu sein: Seitdem tippen wir nicht mehr nur Buchstaben und Sonderzeichen, sondern tippen, swipen, zoomen oder pinchen mit großer Selbstverständlichkeit.

Auch „Detox“, der zweite Teil des Begriffs, scheint auf den ersten Blick recht klar: Es ist die Abkürzung für „Detoxifikation“ (Englisch: detoxification) und steht für Entgiftung. Zwei Fragen stellen sich hier: WAS wird vergiftet? WODURCH GENAU werden wir hier vergiftet?

Digital Detox oder - „Bewusst verzichten“
Nun, jeder, der mal gefastet hat, weiß, dass Fasten insbesondere darin besteht, dass wir für einen gewissen Zeitraum bewusst weniger bis teilweise auch gar nichts essen. Der in der #Psychologie und Lebensberatung so beliebte Begriff der #Achtsamkeit liegt hier nahe. Daher wird auch jeder, der halbwegs Ahnung hat, beim Fasten auf das ausdauernde und eben bewusste Kauen der Nahrung großen Wert legen. Weiters ist es klar, dass wir dem Körper besonders wertige (oder auch leichte, je nach Diät) Nahrung zuführen sollten.

Ab wann ist aber ein zu viel oder zu wenig ein Problem für unsere Gesundheit?
„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht’s, dass ein Ding kein Gift sei.“ - dies hat uns schon der Schweizer Alchemist Paracelsus mitgeteilt. Alles kann also zum Gift werden, wenn die Dosis zu hoch ist. Sehen wir uns mal an, wie viel Zeit die Österreicher tagtäglich mit Screens verbringen. Im Digital Report 2024 von ⇒ „Meltwater / We are Social“ gibt es dazu gute Daten („Internet Users aged 16 to 64“): Generell für Internet: Fünf Stunden und 31 Minuten täglich. Weiters: Zwei Stunden und 53 Minuten für Broadcast / Streaming TV. Eine Stunde und 32 Minuten für Social Media. Eine Stunde und drei Minuten für Music Streaming Services. 30 Minuten für Podcasts - 31 Minuten für Spielkonsolen. Im weltweiten Schnitt liegen wir damit zwar im unteren Mittelfeld; trotzdem sprechen wir von ca. 8-11 Stunden pro Tag, die wir vor oder mit Screens verbringen, je nach Alterskohorte. Die Frage, ob das nun zu viel ist, die ist gar nicht leicht zu beantworten, denn für die Gen Z oder teils auch Gen Alpha sind diese täglichen Screen-Stunden oft absolute Normalität. Mehr noch, jeder, der Kinder bzw. Jugendliche zuhause hat und ihnen das Smartphone wegnehmen oder das WLAN abdrehen will - viel Spaß dabei! Und damit sind wir schon bei einem relativ neuen Krankheitsbegriff (er ist erstmals 2008 genannt worden), der Nomophobie.

Bist auch Du nomophob?
Gerade bei Abhandlungen, die sich mit Toxischem, mit Abhängigkeiten und Suchtverhalten beschäftigen, sollte man klar definieren, was mit bestimmten Begriffen genau gemeint ist. #Nomophobie, auf Englisch Nomophobia (“NO MObile PHone PhoBIA”) bedeutet nicht, dass man zwanghaft zum Smartphone greifen oder ständig auf den Screen blicken muss. Es bedeutet, dass man Angst davor hat, nicht erreichbar zu sein. Damit verbunden können sich etliche Symptome ausprägen, wie zum Beispiel ⇒ 1: Stressreaktionen, wenn das Smartphone ausgeschaltet ist. 2: Angstzustände, wenn der Akku demnächst leer ist und man keine Lademöglichkeit hat. 3: Stress durch aufgebrauchte Datenvolumen oder durch die Unmöglichkeit, sich in ein WLAN einzuloggen. 4: Stress, wenn das Smartphone zuhause vergessen wurde. 5: Panik vor Funklöchern … und so weiter.

👉 So, kurzer Check: Wer kennt nicht das eine oder andere Gefühl, das oben beschrieben wird, zumindest ansatzweise? Sind wir deshalb schon süchtig - oder abhängig von Smartphones bzw. Screens?

Süchtig - oder abhängig?
Wer „Sucht“ und „Abhängigkeit“ googelt, der wird auf zahlreiche Erklärungen und Definitionen stoßen. Wissenschaftlich betrachtet wurde der Begriff der Sucht allerdings schon vor geraumer Zeit eliminiert; und durch den der Abhängigkeit ersetzt. Dabei gilt, dass eine bestimmte Substanz unser Leben und auch Verhalten bestimmt. Es gibt ein starkes, kaum kontrollierbares Verlangen (oft gleich nach mehreren Substanzen), auch „Craving“ genannt. Dann erfolgt eine Toleranzentwicklung, d.h., Betroffene müssen immer mehr trinken, rauchen usw., um den gewünschten Effekt herzustellen. Nach und nach vernachlässigen Betroffene andere Interessen und oft auch ihr soziales Umfeld, was einen Teufelskreis nach sich ziehen kann. Denn je einsamer man wird, desto eher greift man auf „verlässliche“ Substanzen zurück, die rasch, zumindest scheinbar, für Beruhigung sorgen.

Wenn wir den oben beschriebenen Teufelskreis auf unsere Smartphone- und Screen-Gewohnheiten beziehen, dann wird etwas deutlicher, ab wann wir digital detoxen sollten. Das bringt uns auch zu den beiden vorher gestellten Fragen, … WAS vergiftet wird durch „Handy-Sucht“?; und … WIE/WODURCH das überhaupt gelingen kann?

Nun ⟹ dieses „WAS?“ ist relativ einfach zu beantworten: Unser Bewusstsein wird bei zu hohem Screen-Konsum vorwiegend auf eben digitale Inhalte und Botschaften trainiert. Gleichzeitig wird man immer unfähiger, in echte Beziehung zu seinem sozialen Umfeld zu treten. Durch die ständige Reizüberflutung sinkt auch die Fähigkeit, sich über einen längeren Zeitraum hinweg EINER Aufgabe zu widmen. Zudem gibt es online immer alles sofort, wobei uns das Leben gleichzeitig lehrt, dass man nur dann etwas erreichen kann, wenn man dafür vorher hart und ausdauernd lernt und arbeitet. Hat man früher in aller Ruhe in der Zeitung geblättert, erreichen uns nun - online - unzählige Katastrophennachrichten im Viertelstundentakt. Wir sind dadurch in einer dauernden Alarmbereitschaft, wenn wir uns darauf einlassen.

Das ⟹ „WIE?“ bzw. „WODURCH?“ ist die zweite Frage, die ich beleuchten will; soll heißen, wie konnte es passieren, und dies in einem recht kurzen Zeitraum, dass wir die meiste Zeit im wachen Zustand auf Screens glotzen, oft auch mehr als 11 Stunden pro Tag? Hier befinden wir uns im Zauberreich der „UX/UI“ Welt: UX steht für „User-Experience“ und befasst sich mit der Analyse, Kreation und Optimierung der User-Erfahrung. Das bedeutet auch, dass die Entwickler unsere Motive, Bedürfnisse und Emotionen kennen müssen, um auf diese optimal eingehen zu können. Mit KI wird dies auch immer besser gelingen. Daten hinterlassen wir uferlos, mehr als wir uns wahrscheinlich vorstellen können.

UI steht für „User Interface“ (Benutzerschnittstelle) und behandelt alles, was wir beim Surfen durch diverse Websites, Shops oder Apps so erleben können. Betrifft also alle Designelemente, die Eingabesteuerung, Navigationskomponenten, Feedback-Benachrichtigungen oder auch alle Arten von interaktiven Elementen.

All dies wäre allein einen Beitrag wert, daher hier nur die Kurzfassung. Dieser „Verführ-Industrie“ zu widerstehen ist äußerst schwer. Wenn Sie das nicht glauben, dann schätzen Sie mal die Summe, die Sie online in den letzten 3 Jahren ausgegeben haben. Und dann überprüfen Sie den tatsächlichen Betrag, sofern das überhaupt noch möglich ist.

Wann und wie digital detoxen?
Kommen wir zum Punkt. Ab wann sollten wir unsere Online-Gewohnheiten kritisch hinterfragen, uns womöglich selbst eine Digital-Detox-Kur verschreiben?

Die Antwort ergibt sich aus dem jeweiligen Grad der Abhängigkeit, und wie sehr oder eben wenig uns diese bewusst ist. Kommt man selbst zum Schluss, dass man in ungesunder Weise vom Smartphone abhängig ist und regelmäßig die oben erwähnten Stressreaktionen aufweist, dann ist es vielleicht eine gute Idee, sich selbst diesbezüglich zu hinterfragen, oder auch beraten zu lassen. Ein Gradmesser ist auch, ob man das Smartphone unbedingt im Schlafzimmer dabeihaben muss.

Denn eines ist klar; auch wenn unser Smartphone nur irgendwo im peripheren Sehfeld sichtbar sein sollte, es bannt einen Teil unserer Aufmerksamkeit, ohne dass wir dies bemerken. Liest man Studien, die untersuchen, wie lange ein Blick auf den Smartphone-Screen konzentrierte Arbeit unterbrechen kann, dann gibt es Angaben zwischen 9,5 Minuten („Frisch im Kopf: Wie wir uns aus der digitalen Reizüberflutung befreien“; Martin Korte) und sogar 23 Minuten und 15 Sekunden (Humboldt Universität Berlin).

WIE nun Digital Detox angehen? Ein paar Tipps und Anregungen
👉 Überprüfen Sie Ihre Online-Verhaltensweisen. Wie viel Zeit davon war sinnvoll investiert? (keine Angst, viele Menschen, die ich frage, meinen selbst, dass 60-80% der Online-Freizeitnutzung eher verschwendete Zeit war). Daher stets fragen: Welche Art von Online-Zeit tut mir gut? Was bereichert mein Leben?

👉 Wie geht es meinem Körper, meinen Sinnen? Zu viel Screen-Konsum macht sich bei allen Altersgruppen bemerkbar (-> zu wenig Bewegung, Übergewicht, eine schlechte Haltung, Verspannungen, Schmerzen in den Händen & Daumen, Kurz-/Weitsichtigkeit usw.)

👉 Nachdem ich nachhaltige Lösungen für deutlich besser halte als einfach einmal drei Tage ohne Smartphone zu leben (merke: Kurze Detox-Phasen bringen wenig!), sollte man seine Online-Aktivitäten mit festen Zielen versehen. 20mal pro Tag seine Emails checken und innerhalb von Minuten alles beantworten zu können, mag eindrucksvoll sein. Besser ist es, zu bestimmten Zeiten konsequent Nachrichten abzuarbeiten, dies aber eben völlig konzentriert.

👉 Wenn man Bescheid weiß darüber, wie viel Zeit man in diverse Apps und Screens „investiert“, dann kann man auch festlegen, wie viel Stunden weniger zukünftig dafür vorhanden sein sollen. Erholung gibt es auch ohne Smartphone. Nutzt man es als Music Player, kann man es in der Freizeit ja durchaus mitnehmen, echte Erholung gibt es aber nur dann, wenn wir nicht in ständiger Alarmbereitschaft - und tagaus, tagein erreichbar sind.

👉 Das betrifft auch bewusste ONLINE-PAUSEN - und mögliche „handyfreie Zonen“, die man zuhause etablieren kann. Beispielsweise der Esstisch oder das Schlafzimmer (ein analoger Wecker tut es auch). By the way: Wer große Lust auf schlechten Schlaf hat, der sollte kurz vor dem Schlafengehen noch geschäftliche Emails lesen!

👉 Gerade der „Zeitfresser Social Media“ bringt ein Thema hervor, mit dem wir uns durchaus beschäftigen sollten: Unsere Geltungssucht und Eitelkeit. Und, damit verbunden: Die Frage, wie sehr wir sozialen Druck verspüren, auf Facebook, Insta und Co mit-performen zu können.

Klar, nun könnten boshafte Menschen meinen, dass auch dieser Beitrag eine Art Online-Wichtigmacherei ist. Allerdings, das kann ich mit Sicherheit sagen, das Verfassen war jedenfalls eine sinnvoll investierte Zeit!

Admin - 09:46:34 @ Allgemein | Kommentar hinzufügen

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